Fachlich fundierter Vortrag des Tierarztes Falk Simon
Wichtiger Hinweis: alle nachstehend aufgeführten Erste-Hilfe-Maßnahmen ersetzen nicht den Besuch einer tierärztlichen Praxis, sie stellen nur die Einleitung der Therapie und den richtigen Transport dorthin sicher !
1.Erkennung und Bewertung von Notfällen
Klassifizierung von Notfällen:
-Absolute Notfälle (notwendige Behandlung
innerhalb von Sekunden oder weniger Minuten) sind Atem- und Herzstillstand, Verlegung der Luftwege, massive Blutungen. -Dringende Notfälle (notwendige Behandlung
innerhalb weniger Minuten bis max. 1 Stunde) sind vielfache, tiefe Verletzungen mit starken
Blutungen; schwerer Schock; den Bauch oder Brustkorb
eröffnende Verletzungen; Kopfverletzungen
mit zunehmender Bewußtseinstrübung;
schwere Atemnot; Wirbelsäulenverletzung mit
ällen. -Schwere Notfälle (notwendige Behandlung
innerhalb der ersten Stunden) sind vielfache, tiefere Verletzungen; Bauch-
oder Brustkorbverletzungen mit mildem Schock; Rückenmarksver- änderungen mit Lähmungen;
schwere Schäden des Bewegungs- apparates; offene
Brüche größerer Knochen; offene Gelenks-
verletzungen; akute Infektionen. -Weniger dringende Notfälle(notwenige Behandlung innerhalb
der ersten Stunden) sind Frakturen der großen Knochen und
des Beckens ohne Schock; Auskugelung von Gelenken,
tiefere Wunden.
Notdienst organisiert durch die Tierärztekammer
Hamburg, zu erfragen unter der Telefonnummer 43
43 79, genannt wird der notdiensthabende Tierarzt
mit Adresse und Praxistelefon.
Dieser Tierarzt muß sich während
des Notdienstes in der Praxis aufhalten, d.h.
eine telefonische Terminvereinbarung ist nicht
erforderlich, aber in vielen Fällen zur optimalen
Behandlung beim Eintreffen vorteilhaft.
Längere Wartezeiten sind gelegentlich auch
bei Notfällen nicht zu vermeiden. Jeder Tierarzt
ist aber bemüht, entsprechend der Notfallsituation
die Reihenfolge der Behandlung zu entscheiden.
Gebühren für tierärztliche Leistungen
im Notdienst sind oft etwa doppelt so hoch wie
im normalen Tagesbetrieb. Üblicherweise müssen
diese Leistungen sofort bezahlt werden !
Unabhängig vom genannten Notdienst haben
einige Kliniken einen eigenen Notdienst organisiert.
Sollte ein telefonisches Vorgespräch mit
dem Tierarzt oder seinen Mitarbeitern geführt
werden, ist auf folgendes zu achten:
Ehrliche Beantwortung der Fragen des Tierarztes
ohne Über- oder Untertreibungen !
- Ruhe bewahren bei aller Aufregung
um das gefährdete Tier !
- Genaue Beobachtung und Beschreibung der beobachteten
Veränderungen/Verletzungen !
- Tier bei Bewußtsein ?
- Atmung normal, angestrengt, geräuschvoll
oder gar nicht mehr ?
- Offene Verletzungen, Blutungen ?
- Zungenfarbe ?
- Erbechen und/oder Durchfall ? Wie oft ? Irgendwelche
Beimengungen ?
- Aufgetriebener Leib ?
- Urinabsatz vorhanden ? Ungestört ? Farbe
?
- Nimmt der Patient irgendwelche Medikamente ?
- bei Giftaufnahme Sicherung der Reste und/oder
Verpackung. -Wegbeschreibungen notieren (aufgeregtes Suchen
der Praxis kostet mehr Zeit !)
2.
Transport des Patienten in die Tierarztpraxis
- Patient kann i.d.R. draußen vor Ort nicht
annähernd so gut betreut werden wie in der
Praxis, deshalb ist immer der unverzügliche
Transport anzustreben !
- ruhig und besonnen fahren, um weiteres Unglück
zu vermeiden
- sichere Fixierung des Patienten während
des Transportes
- Haftungsfragen bei Verkehrsunfällen !
- Transportkorb verwenden, ansonsten Transport
möglichst zu zweit (vertraute Person hält
das Tier, die andere fährt)
- Selbstschutz des Besitzers (schmerzleidende
oder panische Tiere kratzen und beißen oft)
- z.B. Mullbinde als Maulschlinge beim Hund verwenden
- Patienten, die nicht mehr laufen können,
flach liegend (Trage, Brett, Schranktür)
transportieren
- bereits begonnene Erste-Hilfe-Maßnahmen
(Abdrücken von Blutungen, Wundabdeckungen
etc.)
müssen während der Fahrt fortgesetzt
werden
- Selbstberuhigung und Beruhigung des Patienten
- Verhinderung von Selbstverstümmelung, Belecken
und Benagen betroffener Körperteile und Organe
sowie weiteren Verletzungen des Tieres
- Hilfe beim Transport in die notdiensthabende
Tierarztpraxis:
- "Jumbo-Taxi" (VW-Transporter),
Tel. 0800-333 999 0 (gebührenfrei)
- Taxizentrale, Tel. 66 66 66, wichtig:
Angabe der Art und Größe des Tieres
(Kombi fordern)
- "Struppi-Wagen" des Hamburger
Tierschutzvereins (Süderstraße), Tel.
22 22 77
Unterschiedliche Gebühren von 8-22 Uhr und
von 22-8 Uhr für die einfache Fahrt innerhalb
Hamburgs
- Alle anderern Behandlungsmaßnahmen sind
nutzlos, wenn Atem-wege nicht frei sind !
- mögliche Verlegung der Atemwege im Bereich
von Mundhöhle, Rachen, Kehlkopf und Bronchien - mögliche Ursachen einer Atemwegsverlegung:
- typische Veränderungen am Patienten
bei gestörter Atmung:
- untypische Bewegungen des Brustkorbes (z.B.
einfallende Teile der Brustwand bei Rippenbrüchen)
- Cheyne-Stokes-Atmung (zyklisch sich steigernde
Atmung mit plötzlichem Atemstillstand),
z.B. bei Vergiftungen, Hirn- und Schädeltraumen
- Kußmaulatmung (tief und stark verlangsamt),
z.B. bei Nieren-versagen
- die wichtigsten Maßnahmen bei
Atemwegsverlegung und Atem-stillstand:
- Begutachtung der Atemwege:
bei weit nach vorn gestrecktem Kopf, um möglichst
tief in den Rachen schauen zu können (Maulkeil,
Zunge mit Taschentuch heraus ziehen, Taschenlampe)
Heimlich-Griff:
- zum Herausschleudern von Fremdkörpern
aus den oberen Atemwegen
- seitliche Lagerung des Patienten
- Faust unterhalb des Brustbeinendes auflegen
- ruckhaften Druck in Richtung Zwerchfell/Herz
ausüben
- Vorgang kann ggf. mehrmals wiederholt werden
- kleinere Hunde und Katzen können dabei
auch hängend gelagert werden (linke Hand
fixiert beide Schultergelenke und drückt
die Wirbelsäule des Patienten gegen die Brust
eines Helfers, rechte Hand des Helfers führt
Heimlich-Griff durch)
Mund-zu-Nase-Beatmung:
- sehr effektive Erste-Hilfe-Maßnahme
zur Aufrechterhaltung der Lebensfunktionen, solange
die Atemwege frei und die Spontanatmung noch nicht
vorhanden ist
- ist allerdings nur für kurzfristige Hilfe
geeignet, bis weitere Notfallmaßnahmen eingeleitet
sind
- Kopf des Patienten strecken
- vorgezogene Zunge zwischen den Schneidezähnen
einklemmen und auf geschlossene Lefzen achten
- Spender bläst eigene Atemluft durch die
Nasenlöcher des Patienten, dabei die Atemtiefe
nach Effekt steuern, indem der Atemspender die
Bewegungen des Brustkorbes im Auge behält
- bei größeren Patienten kann versucht
werden, während der Beatmung die Speiseröhre
mit Daumen und Mittelfinger ringförmig- bzw.
zangenförmig hinter der deutlich tastbaren
Luftröhre zusammen zu pressen (so kann keine
gespendete Luft in Magen landen)
- bei kleineren Hunden und Katzen muß der
Spender die Luft in Mund und Nase des Patienten
blasen
Luftröhrenschnitt:
- als letzte Möglichkeit der Lebensrettung
bei Verlegung der Atemwege oberhalb der Luftröhre
(Mundhöhle, Rachen), sofern Heimlich-Griff
erfolglos
- Vorbehalte gegen diesen Eingriff sind oft emotionaler
Art, die künstlich gesetzten Verletzungen
heilen oft relativ schnell
- Patient in Rückenlage mit einer Stütze
im Nacken (Kissen, Pullover, Tasche etc.)
- schnelle Rasur der Halsunterseite (Einmalrasierer,
Bartschneider, scharfes Messer)
- Desinfektion der Haut, sofern vorhanden (hochprozentiger
Alkohol, Desinfektionsmittel etc.)
- im äußersten Notfall Haare anfeuchten
(Alkohol, Wasser) und mittig an Halsunterseite
scheiteln
- Hautschnitt mittig 2-5 cm lang beginnend vom
hinteren Kehlkopf schwanzwärts
- Durchtrennung und Spreizung der Halsmuskulatur
- Freilegen eines Luftröhrenringes (Knorpel)
- senkrechter Schnitt durch den freigelegten Knorpelring
der Luftröhre
- Messer drin lassen und um 90° drehen, damit
Luftröhrenwunde offen gehalten wird
- auch Durchstechen mit Kugelschreiber zwischen
zwei Knorpel- ringen kann versucht werden, ebenso
das Offenhalten eines durchtrennten Knorpelringes
mit dem Kugelschreiber o.ä.
- für die Verteilung des in der Lunge mit
Sauerstoff angereicherten und den Abtransport
des in den Körperzellen mit Kohlendioxid
beladenen Blutes ist ein intakter Kreilauf mit
einem pumpenden Herzen unabdingbar
Kontrollmöglichkeiten der Kreislauffunktion:
- Fühlen des Pulses mit Zeigefinger/Mittelfinger
an der Innenseite des Oberschenkels nahe der Leistengegend:
muß deutlich und regelmäßig spürbar
sein
- Prüfung der Durchblutung des Zahnfleisches durch kurzen starken Druck auf das Zahnfleisch,
dabei verfärbt sich dieses weiß. Wiedererlangung
der rosa Färbung erfolgt normalerweise innerhalb
von 2-3 Sekunden
Hilfsmaßnahmen bei sichtbaren Blutungen:
- Druckausübung mittels Finger oder
Faust auf die Blutung
- Hochhalten oder Hochlagern blutender Gliedmaßen
- Druckverband an Gliedmaßen oder
Körper zur mittelfristigen Kontrolle von
Blutungen bis zur Weiterversorgung
- Reihenfolge des Verbandes: zuerst Mull direkt
auf die Wunde, darüber elastische Binde o.ä.
- einmal angelegte Druckverbände dürfen
erst zur endgültigen Versorgung abgenommen
werden, da sonst die begonnende Blutgerinnung
wieder aufgerissen wird
- Abbinden von Gliedmaßen als letzte
Möglichkeit; erfolgt über der Blutung
(d.h.zum Rumpf hin) mittels Stauschlauch, Band,
Gürtel etc.
- muß von Zeit zu Zeit kurzfristig wieder
gelöst werden, um Schockgefahr zu vermeiden.
Herzmassage:
- wenn die Pulswelle an den Hinterbeinen schwach
bzw. nicht mehr fühlbar, die Herzbewegung
nicht mehr fühlbar und keine Herztöne
mehr hörbar sind (Ohr dicht an den Brustkorb
pressen, vorzugsweise links)
- Patient vorzugsweise in halbseitlicher Position
lagern, stabilisiert durch Polster unter dem Brustkorb
(z.B. festes Kissen, zusammengerollter Pullover
o.ä.)
- linke Hand (beim Rechtshänder) flach über
das Herz legen, bei größeren Hunden
über die Stelle des Brustkorbes, an der er
seinen größten Durchmesser hat
- der Ballen der rechten Hand drückt mit
hoher Frequenz auf die darunter liegende flache
linke Hand (somit wird die Druckwelle besser verteilt
und die Gefahr von Rippenbrüchen gemindert)
- einzelne Salven von jeweils 10-15 schnellen
Kompressionen mit einer anschließenden ebenso
langen Pause
- alle 3-5 Massagesalven sollte einmal beatmet
werden
- regelmäßige Kontrolle derv Pulswellen
und der Herztätigkeit
- Anlegen von elastischen Binden an den
Hintergliedmaßen von unten (körperfern)
nach oben (körpernah) zur Verringerung des
Gefäßvolumens und damit zur Schockprophylaxe.
- Ursache: stumpfe Einwirkung auf den Augapfel
- Symptome: Blutungen in der vorderen Augenkammer
- Maßnahme: Kühlung mit kaltem Wasser oder Eiswürfel oder Kühlakku (letztere immer in ein dünnes Tuch eingewickelt, sonst Gefahr der Unterkühlung des Augapfels)
Vorquellen des Augapfels aus der Lidspalte:
- Ursachen: Trauma; bei kurzschnäuzigen Rassen (z.B. Pekinese) auch durch unsachgemäßes Festhalten des Tieres im Nacken
- Symptome: unnatürliches Hervorstehen des Augapfels, häufig auch mit Blutungen am Auge
- Maßnahmen: Abdecken mit kalten, feuchten Tüchern
Schutz vor Selbstbeschädigung (Kratzen, Reiben)
Verätzung:
- Ursache: Kontakt der Augenoberfläche mit festen, flüssigen oder gasförmigen Stoffen, die die Hornhaut schädigen
- Maßnahmen:
- Spülen des offenen (!) Auges mit größeren Mengen körperwarmer Flüssigkeit
einige Minuten lang ohne Druck
- Abdecken des Auges mit feuchten Tüchern
- Mitnahme des Reizstoffes in die Tierarztpraxis bzw. Notieren des Namens
- Verhinderung der Selbstschädigung
Hornhautverletzung:
- Ursachen:
- Kratzverletzungen durch Krallen, Äste etc.
- Stichverletzungen
- Fremdkörper (Getreidegrannen, Holzteile, Kartoffelchips o.ä.)
- Maßnahmen:
- Fremdkörper in der Hornhaut nicht entfernen, sie verschließen ggf. glücklicherweise die Hornhaut und verhindern ein Auslaufen des Auges
- Abdecken des Auges mit feuchten Tüchern
- Verhinderung der Selbstschädigung
- Ursachen:
- beim Schnüffeln aufgenommene Fremdkörper wie Teile von Grannen oder Zweigen
- stecken gebliebene, abgebrochene Zähne nach Beißereien
- Symptome:
- Blutaustritt einseitig aus einem Nasenloch, bei länger liegendem Fremdkörper auch eitriges Sekret
- Maßnahmen:
- Entfernung des Fremdkörpers durch Herausziehen oftmals erfolglos infolge Abwehrbewegungen des Tieres, dabei Gefahr des Abbrechens des Fremdkörpers
Nasenbluten:
- Ursachen:
- einseitig: Verletzungen, Fremdkörper, Tumoren
- beidseitig: Vergiftungen (Rattengift), Blutgerinnungsstörungen, Tumoren des blutbildenden Systems oder der Lunge, Lebererkrankungen, Infektionen etc.
- Maßnahmen:
- bei beidseitigen Blutungen muß kontrolliert werden, ob eine Blutungsneigung auch an anderen Organen wahrnehmbar ist (Urin?, Kot?, Zahnfleischtest?)
- Auflegen von kalten Kompressen (Kühlkissen, in Handtuch eingeschlagenes Eis)
kann unkomplizierte Blutungen stillen; bei Nichtgelingen dem Tierarzt vorstellen
Fremdkörper im äußeren Gehörgang:
- Ursachen:
- Grannen, die sich aufgrund ihrer Widerhaken immer tiefer in den Gehörgang einarbeiten
- Insekten oder Käfer, die sich meist nur vorwärts und nicht rückwärts bewegen können
- Symptome:
- Kopfschütteln, Kopfschiefhaltung zu betroffenen Seite hin, Kratzen
- nach längerem Liegen des Fremdkörpers Entzündung des äußeren Gehörganges
(zeigt sich auch durch unnormal starke Bildung von dunkelbraunem Ohrenschmalz)
- Maßnahmen: kaum möglich, da Fremdkörper i.d.R. ohne entsprechende Hilfsmittel nicht erreichbar sind
- Ursachen:
- vom Besitzer hochgeworfene und vom Tier unglücklich aufgefangene Gegenstände (Holz), als Folge Verletzung der Mund- und Rachenschleimhaut
- Knochenstückchen (oft Hühnerröhrenknochen oder Schweinerippchen) oder Stockteile, die sich beim Fressen oder Benagen quer zwischen den Backenzähnen verkeilen
- bei Katzen durch Spielen aufgenommene Nadeln mit eingefädeltem Faden oder Angelhaken
- Symptome:
- plötzliches Aufjaulen, Fallenlassen des Stockes bei Schleimhautverletzungen
- ggf. vermehrter, blutiger Speichel
- bei Verletzungen der Schleimhaut machen Hunde einen traurigen Eindruck, lassen den Kopf hängen, Schmerzen beim Fressen, zunehmend Allgemeinstörungen
- bei verkeilten Gegenständen geraten sie häufig in Panik und versuchen mit den Pfoten, das Teil herauszuarbeiten
- Maßnahmen:
- wenn es der Hund zuläßt, Begutachtung der Rachenhöhle zur Beurteilung
- Auflegen kühlender Kompressen von außen auf den Hals bei Verletzungen
- Versuch des Heraushebelns verkeilter Knochen oder Stöcke (Vorsicht Beißen !)
- heraushängende Fäden oder Angelsehne nicht abreißen oder abschneiden
Insektenstich:
- Ursachen:
- im Spiel gefangene Insekten, die dann im Mund- oder Rachenraum stechen
- allergische Reaktionen infolge von Insektenstichen
- Symptome:
- unmotiviertes Aufschreien von Zeit zu Zeit nach einem Stich, wenn Stachel an ungünstiger Stelle sitzt
- Atemnot oder Schock bei starken allergischen Schwellungen im Rachen mit Einengung oder gar Verlegung des Atemweges
- Maßnahmen: bei Atemnot im äußersten Falle Luftröhrenschnitt (siehe dort)
Grashalm im Katzenrachen:
- Ursache: Abschlucken und Hochwürgen von Grashalmen, besonders solchen mit gezahnten Kanten
- Symptome: ständiges Würgen, auch ohne Futteraufnahme
- Maßnahmen: keine möglich
- Ursachen:
- vielfältig (stoffwechsel-, nerval-, tumorös-, infektiös-, kreislauf-, vergiftungsbedingt)
- meist Entgleisungen der Gehirnfunktion infolge von Mißbildungen, Tumoren, Infektionen oder Stoffwechselstörungen
- Symptome:
- plötzliches unerwartetes Einsetzen von Krämpfen, Zuckungen, Seitenlage
- kurzzeitiges Verlieren des Bewußtseins möglich, kaum Ansprechbarkeit
- starkes Speicheln, unkontrollierter Kot- und Urinabgang
- bei weniger ausgeprägten Anfällen unmotivierte Lautäußerungen, Halluzinationen (Fliegenschnappen), Zuckungen einzelner Gliedmaßen oder Körperteile (Rute, Hautmuskeln)
- relativ schnelle Erholung, als ob nichts geschehen wäre
- Maßnahmen:
- Ruhe bewahren trotz des erschreckenden Verhaltens des Tieres
- Wegräumen von Gegenständen, an denen sich das Tier verletzen könnte
- sobald wie möglich sichere Verwahrung in Transportkörben bei kleinen Tieren
"Schlaganfall" (Begriff in der Tiermedizin eigentlich nicht definiert, Krankheitsbild dem des menschlichen Schlaganfalls aber ähnlich):
- Ursachen: vielfältig (infektiös, tumor-, stoffwechselbedingt)
- Symptome:
- Manegebewegungen, Kopfschiefhaltung, Umfallen, Torkeln
- sich schnell hin ind her bewegende Augen, große Pupillen
- asymmetrische Gesichtsmuskulatur
- Maßnahmen: keine möglich
- Symptome: Patienten scheinen zu schlafen und lassen sich selbst durch schmerzhafte Reize nicht aufwecken
- Maßnahmen: keine möglich
- beim Transport in die Praxis Kopf nicht abknicken lassen, damit die Atemwege frei bleiben; Kopf eher etwas tiefer lagern
- sollte sich der Patient erbrechen, ihn an den Hinterbeinen hochheben, damit sich Mageninhalt nach außen entleeren kann und nicht eingeatmet wird
- Auf keinen Fall dem Patienten irgend etwas einflößen !!
Hitzschlag:
- Ursachen:
- zu hohe Umgebungstemperatur, ohne die Möglichkeit, sich in den Schatten zurück ziehen zu können
- zu hohe Luftfeuchtigkeit
- Streß
- Maßnahmen:
- Kontrolle der Körpertemperatur (Thermometer tief in den After einführen)
Normaltemperatur: Hund 37,5-38,8°C Katze 38,0-39,3°C
- schattige, gut gelüftete Unterbringung
- Einschlagen des Tieres in feuchte Tücher, vorsichtiges Abbrausen mit kaltem Wasser
- Ursache:
- Versuch von Katzen, durch ein gekipptes Fenster zu drängen
- durch Befreiungsversuche rutscht die Katze immer tiefer in den keilförmigen Spalt
- bleiben oft mehrere Stunden eingeklemmt, ehe sie befreit werden
- Maßnahmen: keine möglich
Bandscheibenvorfall:
- Ursachen:
- Sprünge in die Tiefe (aus dem Auto, von der Couch, die Treppe hinunter)
- Bindegewebsschwäche, Traumen
- besonders gefährdete Rassen: Dackel, Shi-Tzu u.ä.
- Symptome:
- hochgradige Schmerzen bei bestimmten Bewegungen (Beugen der Wirbelsäule, Heben des Schwanzes etc.)
- ggf. Lähmungen der Hintergliedmaßen sowie Unfähigkeit, Kot oder Harn abzusetzen
- Maßnahmen:
- absolut ruhige Lagerung des Patienten beim Transport
- keine Manipulationen wie Massagen, Wärmekompressen o.ä.
- Symptome:
- zu Beginn Unruhe, Angst davor, sich hinzulegen, schnellere Atmung
- Husten, Luftschnappen, Offene-Maul-Atmung, Blasen vor dem Mund
- rasselnd-blubbernde Atemgeräusche
- Maßnahmen:
- unverzüglicher, streßfreier Transport im gut gelüfteten Fahrzeug zur Praxis
Pneumothorax (Ansammlung von Luft in der Brusthöhle)
- Ursachen:
- spontane Zerreißungen von Lungengewebe
- stumpfe Traumen (z.B. Autounfall) mit Zerreißen der Lunge
- perforierende Verletzungen von außen (Biß, Stich, Schuß) oder von innen (in der Speiseröhre festsitzende Knochenstücke (meist Kotelettwirbelknochen)
- oft beidseitig, besonders bei Beißereien (kleine Hunde werden durch große Hunde gleichsam von oben "gelocht")
- Symptome:
- erschwerte Atmung bis zur Atemnot
- Schock
- puffiges Gefühl und hohles Geräusch beim Beklopfen des Brustkorbes
- ggf. pfeifende Geräusche beim Atmen
- Maßnahmen:
- Abdecken von offenen Brustwandverletzungen, wenn möglich provisorischer Verschluß der Haut darüber (Tesa-Band, Wäscheklammern)
- unverzüglicher Transport in seitlicher Lagerung (betroffene Seite nach unten) zur Praxis
- Ursachen:
- Aufnahme von zuviel (Überfressen), verdorbenem oder nicht artgerechtem Futter (Knochen, Schnee) oder Fremdkörpern
- Infektionskrankheiten (z.B. Parvovirose)
- Stoffwechselerkrankungen (Vergiftungen, Nierenversagen)
- Symptome:
- schmerzhafter Oberbauch, akutes Erbrechen
- gestörtes Allgemeinbefinden und Austrocknung (teigige, unelastische Haut!)
- Tiere trinken oft wiel Wasser, das umgehend wieder erbrochen wird
- Maßnahmen:
- sofortiger Nahrungsentzug für 24 (-48) Stunden
- nur in kleinen Mengen Wasser trinken lassen
- nach Futterentzug vorsichtiges Anfüttern eines leichtverdaulichen Futters in kleinen Portionen (z.B. Reis, Nudeln, Kartoffelbrei, gekochtes Geflügelfleisch)
- bei dennoch anhaltendem Erbechen dem Tierarzt vorstellen
Magenerweiterung / Magendrehung
- Ursachen:
- anatomische Vorbelastung besonders großer Hunderassen
- Verabreichung größerer (gärungsfähiger) Futtermengen
- Spielen und Toben nach dem Fressen anstelle des arttypischen Ruhens
- Symptome:
- Vorwölbung der Bauchdecke
- Beeinträchtigung der Atmung, Stöhnen, gestörtes Allgemeinbefinden
- zeitlicher Zusammenhang mit stattgefundener Fütterung
- Maßnahmen:
- unverzüglicher Transport in die Praxis
Fremdkörper im Magen
- Ursachen:
- Futterbestandteile, die jedoch zu groß oder unverdaulich sind
- eigentliche Fremdkörper jeder Art
- saisonale Fremdkörper (Nüsse im Herbst und zur Weihnachtszeit, Pfirsichkerne im Sommer)
- Haarballen (Katzen)
- Symptome:
- Erbrechen, ggf. mit Blutbeimengungen
- Maßnahmen:
- bei soeben abgeschluckten Fremdkörpern kann versucht werden, durch Sauerkrautgaben den Fremdkörper im Magen "einzuhüllen" und so auf natürlichem Wege abgehen zu lassen (Kontakt mit Tierarzt wichtig zur Beobachtung des Verlaufes)
- bei nicht abgehendem Fremdkörper Tierarzt aufsuchen
Akuter Durchfall
- Ursachen:
- sehr vielfältig und kompliziert, selten ein sofort zu behandelnder Notfall
- Symptome:
- breiiger bis wäßriger Kot, häufigeres Kotabsetzen, Schmerzen beim Stuhlgang, blutige Beimengungen, nächtliche Verschmutzung des neuen Teppichbodens etc.
- Symptome:
- offene Verletzung ber Bauchdecke ggf. mit Vorfall von Bauchorganen
- m.o.w. gestörtes Allgemeinbefinden
- Maßnahmen:
- bei Bauchtraumen ohene erkennbare Beeinträchtigungen oder Verlezungen mindestens aufmerksame Kontrolle des Allgemeinbefindens, Kot- und Urinabsatz, blutige Abgänge ?
- bei geringstem Verdacht dem Tierarzt vorstellen
- bei offenen Verletzungen Abdecken der Wunde und ggf. frei liegender Organe
- sowie Schutz vor Selbstschädigung des Patienten
- Ursachen:
- Infektionen der Niere und der harnableitenden Wege
- externe (stumpfes Bauchtrauma) oder interne (scharfkantige Blasensteine) Traumen
- Rattengift
- Symptome:
- plötzlicher Absatz von blutigem Urin
- ggf. schmerzhafter Harndrang, häufigeres Absetzen kleiner Mengen
- Maßnahmen:
- Versuch des Auffangens von Urin in spülmaschienengereinigtem Gefäß
-Hund: Unterhalten einer Schöpfkelle o.ä. "Auffanggefäßes"
-Katze: Auslegen einer (transparenten) Plastikfolie über der Katzenstreu der Toilette, nach dem Urinabsatz Aufsaugen mittels Spritze o.ä.
- Vorstellen in der Tierarztpraxis mit der Urinprobe
Harnverhaltung
- Ursachen:
- kristalline, verschieden große Harnbestandteile (Harngrieß bis Harnsteine) an anatomischen "Engpässen" der harnableitenden Wege
- Tumoren, Entzündungen
- Symptome:
- Belecken des Penis
- ggf. Schmerzäußerungen
- häufiger (oft vergeblicher) Versuch des Harnabsatzes unter Schmerzäußerungen
- gestörtes Allgemeinbefinden, Erbrechen im fortgeschrittenen Zustand
- Maßnahmen:
- sofortiges Vorstellen beim Tierarzt (Harnverhaltungen über mehr als 1 Tag sind absolut lebensgefählich !
- Ursachen:
- besonders kleinere Hunderassen und Erstgebährende sind anfällig
- Wehenschwäche, zu große oder quer liegende Föten
- Aufregungszustände der Muttertiere (ggf. von aufgeregten Tierhaltern übertragen!)
- Infektionen der Geburtswege, Unterzuckerung, Erschöpfung des Muttertieres
- Symptome:
- Körperinnentemperatur >38,5°C (ist normalerweise während der Geburt erniedrigt)
- stärkere, hellrote oder gar pulsierende Blutungen aus den Geburtswegen
- grün-schwarzer und/oder stark stinkender Ausfluß
- Bauchpresse ohne Austreibung einer Frucht (bei Erstgebährenden dauert die Preßphase vor der ersten Austreibung einer Frucht oftmals 1 Stunde und länger, bei erfahrenen Müttern max. 30-45 Minuten)
- Maßnahmen:
- absolut ruhiges Verhalten gegenüber der werdenden Mutter unter Vermeidung jeglichen Stresses
- regelmäßiges Messen der Körpertemperatur, möglichst ohne das Tier aufzuregen
- Belassen des "Geburtslagers" an der selbstgewählten Stelle der Mutter (besonders bei Katzen ganz wichtig)
- wenn Gliedmaßen aus der Scheide heraus ragen, kann durch leichten (!) Zug die Austreibung unterstützt werden
- bei fehlender Hinwendung der Mutter zu den Neugeborenen (selten!) Abrubbeln der Welpen mit einem sauberen Handtuch, bis deutliche Lebenszeichen erkennbar sind, danach sofortiges anlegen an das Gesäuge der Mutter
- ggf. Mutter und Welpen zusammen dem Tierarzt vorstellen
Äthylenglykol:
- Bestandteil vieler Frostschutzmittel, süßlicher Geschmack, besonders von Katzen in Garagen, an Tankstellen etc. aufgenommen
- Erbrechen und ZNS-Störungen (Benommenheit, Koordinationsstörungen) eine gute halbe Stunde nach Aufnahme
Blei:
- Bestandteil vieler Farben (Rostschutz), Batterien, Munition (Schrot)
- wirkt auf den Magen-Darm-Trakt (Erbrechen, Speicheln, Verstopfung), das Nervensystem (Aggressivität, Übererregung, Lähmungen) und das Blut
- Aufnahme oder Belecken o.g. Materialien, (Streuschrot besonders bei Jagdhunden!)
Cumarin
- Bestandteil vieler Rattengifte
- häufigere Aufnahme kleiner Mengen oft schlimmer als einmalige Aufnahme großer Mengen
- meist erst am 5.-6. Tag nach der Aufnahme maximale Symptomatik
- stört die Blutgerinnung (Vitamin K), führt zu diversen Organblutungen (Blut im Harn, in Erbrochenem, im Durchfall, in der Haut)
Östrogene
- Bestandteil vieler humanmedizinischer Präparate aus der Frauenheilkunde
- Aufnahme durch Fressen von entsprechenden Medikamenten aus Frauchens Apotheke
- führt zu erhöhter Blutungsneigung (Urin, Kot, sichtbare Schleimhäute)
- Druck mit dem Fingernagel auf das Zahnfleisch verursacht sichtbare Blutungen
Organophosphate
- Bestandteil von einigen Insektenbekämpfungsmitteln
- verursachen neurologische (Speicheln, Zuckungen, Krämpfe), Magen-Darm- (unkontrollierter Kotabsatz, Durchfall) sowie Kreislaufstörungen (Lungenödem)
- Überdosierung oder falsche Anwendung von Flohbekämpfungsmitteln, besonders bei Katzen durch Belecken kontaminierter Flächen oder Körperteile
Phenole
- Bestandteil vieler Reinigungs- und Desinfektionsmittel
- besonders Katzen sehr empfindlich
- sehr komplexe und vielseitige Symptome (siehe oben)
- Phenole auf der Haut unverzüglich mit Olivenöl entfernen, verschmutzte Haare großzügig abschneiden
- Ursachen: Traumen aller Art
- Symptome: offene, nicht mehr von Haut bedeckte Knochenbrüche
- Maßnahmen:
- elementare Ziele der Wundversorgung:
- Verhinderung des Eindringens weiterer Mikroorganismen (Bakterien)
- Stabilisierung der Fraktur
- Abdeckung der Fraktur mit sauberem, besser sterilem Verbandsmaterial (Autoapotheke)
Reihenfolge beim Verbinden:
1. Schicht: sterile Wundgaze, Mullbinden (Abdeckung, nicht festklebend)
2. Schicht: Wattebinden (Aufsaugen der Wundflüssigkeit, Polsterung)
3. Schicht: Textile Klebebänder oder selbsthaftende halbelastische Binden (Stabilisierung)
- eine zusammengerollte Zeitung kann als sinnvolle Schienung außen mit einer weiteren Binde befestigt werden
Gedeckte Frakturen
- Ursachen: siehe oben
- Symptome: unter der Haut untypisch aussehende Knochen oder labile Gliedmaßen
- Maßnahmen: Schienung mittels gerollter Zeitung in möglichst normaler Gliedmaßenstellung